Die Epilepsien -- Allgemeines

Kurzinformationen für Betroffene und Interessierte

Inhalt

Was bedeutet das Wort Epilepsie
Epileptische Anfälle und Epilepsie
Was verursacht die Epilepsien
Wann und wie häufig treten Epilepsien bei Kindern und Jugendlichen auf
Wie wird die Diagnose einer Epilepsie gestellt
Wann und womit sollte man epileptische Anfälle behandeln
Was wird durch die Behandlung mit Antiepileptika erreicht
Wie lange sollte man epileptische Anfälle behandeln
Überblick über die verschiedenen Anfallsformen
Überblick über die häufigsten und wichtigsten Epilepsien
Epilepsiesyndrome als Krankheitseinheiten
Internationale Klassifizierung von Epilepsien und Epilepsie-Syndromen


Was bedeutet das Wort Epilepsie

Das Wort Epilepsie ist vom Griechischen abgeleitet und bedeutet „plötzlich heftig ergriffen und überwältigt" zu werden. Im antiken Griechenland stellte man sich vor, dass die Epilepsie dem Menschen durch Götter oder Dämonen auferlegt würde, man sprach deshalb von einer heiligen Krankheit. Epilepsie umgibt auch heute noch das Fluidum des Unerklärlichen und Unheimlichen, viele Ängste und Vorurteile ranken sich um diese Krankheit. Die Epilepsie ist eine Organkrankheit wie jede andere Krankheit des Körpers auch. Durch Aufklärung über die Eigenschaften und die vielfältigen Erscheinungsformen der Epilepsie wird ein offener Umgang mit dieser Krankheit möglich.

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Epileptische Anfälle und Epilepsie

Es muss von vornherein zwischen den Begriffen epileptischer Anfall und Epilepsie unterschieden werden, denn damit ist keinesfalls dasselbe gemeint. Beim epileptischen Anfall handelt es sich um ein einzelnes Geschehen, das sich plötzlich ereignet und meist nach Sekunden oder Minuten auch wieder aufhört. Erst wenn bei einem Menschen ohne ersichtlichen Grund mindestens zwei epileptische Anfälle aufgetreten sind, spricht man von Epilepsie.

Was passiert beim epileptischen Anfall in unserem Gehirn? Beim Gesunden ist die Tätigkeit der Milliarden von Nervenzellen unseres Gehirns durch elektrische und chemische Signale genau aufeinander abgestimmt. Beim Epilepsiekranken ist dieses Gleichgewicht zeitweilig gestört. Plötzlich entladen sich viele Nervenzellen gleichzeitig. Diese nicht normalen Entladungen breiten sich im Gehirn aus, und es kommt zum epileptischen Anfall.

Wenn bei einem Menschen nur ein einziger Krampfanfall durch eine vorübergehende, sich rasch wieder zurückbildende Störung des Gehirns ausgelöst wird, so nennt man einen solchen Krampfanfall Gelegenheitsanfall. Diese vorübergehende Störung kann verschiedene Ursachen haben: z.B. massiven Blutzuckerabfall, Alkoholentzug, Vergiftungen, Sauerstoffmangel oder Schädigung des Gehirns durch eine Kopfverletzung oder eine Gehirnentzündung. Ein typisches Beispiel eines Gelegenheitsanfalles ist auch der gutartige Fieberkrampf, der bei kleinen Kindern durch Fieber ausgelöst wird.

Bei der Epilepsie hingegen handelt es sich um eine chronische Erkrankung des Gehirns, die sich in immer wieder auftretenden epileptischen Anfällen äußert.

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Was verursacht die Epilepsien

Drei Faktoren tragen entscheidend zum Auftreten einer Epilepsie bei, wobei diese Faktoren häufig zusammenwirken:

- eine ererbte Bereitschaft zu epileptischen Anfällen

- eine angeborene oder erworbene Hirnschädigung und

- Umwelteinflüsse

Epilepsie ist keine Erbkrankheit im engeren Sinn, denn es werden nicht die Anfälle an die Nachkommen vererbt, sondern nur die Neigung zu Anfällen. Nur bei rund 5-10% der Kinder und Jugendlichen mit Epilepsien wird die Epilepsie vererbt. Finden sich bei einem sonst gesunden Menschen in der Familiengeschichte Hinweise auf die Erblichkeit seiner Epilepsie, so bezeichnet man diese Epilepsie als idiopathische Epilepsie.

Die angeborene oder erworbene Hirnschädigung überwiegt als Ursache bei weitem, wobei es viele sehr unterschiedliche Möglichkeiten der Hirnschädigung gibt, wir sprechen in diesen Fällen von symptomatischen Epilepsien. Weitaus am häufigsten handelt es sich um schädigende Einflüsse, welche das Gehirn während seiner Entwicklung treffen, also bereits vor der Geburt, während der Geburt und in den ersten Lebensjahren. Bei Kindern und Jugendlichen spielen Hirnfehlbildungen, vorübergehender starker Sauerstoffmangel (z.B. bei der Geburt) und angeborene Stoffwechselstörungen eine besondere Rolle. Hirnverletzungen durch Unfälle, Infektionen, Hirntumoren und Durchblutungsstörungen können in jedem Lebensalter zu epileptischen Anfällen führen. Es ist wichtig zu wissen, dass in der ganz überwiegenden Zahl der symptomatischen Epilepsien kein fortschreitendes Hirnleiden besteht, sondern dass die Narbe einer längst abgelaufenen Hirnschädigung für das Auftreten der Anfälle verantwortlich ist.

Nach wie vor ist es auch heute noch so, dass es trotz aller zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden nur bei etwa 25% aller Kinder und Jugendlichen mit Epilepsien gelingt, die Ursache herauszufinden.

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Wann und wie häufig treten Epilepsien bei Kindern und Jugendlichen auf

Etwa 0,5-1% der Bevölkerung in Europa und den USA leidet an einer Epilepsie. Diese Zahl ergibt sich aus der Summe der fortbestehenden Epilepsien, der stetig neu auftretenden Epilepsien und der ausheilenden Epilepsien. Bis zum Alter von 20 Jahren tritt bei etwa 5% der Bevölkerung mindestens ein epileptischer Anfall auf, bei etwa einem Viertel dieser Kinder und Jugendlichen liegt eine Epilepsie vor. Epilepsie ist deshalb die häufigste chronische Krankheit des Nervensystems im Kindes- und Jugendalter.

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Wie wird die Diagnose einer Epilepsie gestellt

Die Diagnose der Epilepsie ruht auf zwei Säulen: 1. auf der möglichst genauen Beschreibung der Anfallsereignisse und 2. auf dem charakteristischen EEG-Befund.

Bei der Anfallsbeschreibung ist der Arzt in der Regel auf die Beobachtung anderer Personen angewiesen, die den Anfall bei dem Patienten gesehen haben. Zur Einordnung des Anfalls ist es wichtig, möglichst viele Einzelheiten des Anfalls festzuhalten.

Um feststellen zu können, ob jemand an Epilepsie leidet, ist das EEG das wichtigste diagnostische Hilfsmittel. Dieses zeichnet fortlaufend die elektrische Aktivität der Nervenzellen des Gehirns auf. Mit Hilfe des EEGs kann beim Patienten die Bereitschaft zu epileptischen Anfällen festgestellt werden, manchmal gelingt es auch, während eines Anfalls ein EEG zu schreiben. Die epileptische EEG-Aktivität kann unterschiedlich aussehen. Die häufigsten epileptischen Veränderungen sind Spitze Wellen (Spike Wave) und Scharfe Wellen (Sharp Wave; folgt der scharfen Welle eine langsame Welle, so spricht man von Sharp Slow Wave). Unter Umständen ist die Ableitung mehrerer EEGs notwendig, bis die epilepsietypischen Veränderungen nachgewiesen werden können.

Mit Hilfe der sogenannten bildgebenden Verfahren der Computertomographie oder der Kernspintomographie wird nach der Ursache der epileptischen Anfälle geforscht. Die Kernspintomographie ist dabei der Computertomographie weit überlegen, deshalb sollte diese Untersuchungstechnik bevorzugt werden.

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Wann und womit sollte man epileptische Anfälle behandeln

Treten innerhalb eines Jahres zwei oder mehr epileptische Anfälle auf und zeigt das EEG eine erhöhte Neigung zu Anfällen, so ist die Behandlung mit speziellen Medikamenten, den Antiepileptika, angebracht, da sonst die Gefahr besteht, dass die Anfälle immer häufiger auftreten. Bei der Diagnose bestimmter Epilepsien (Temporallappenepilepsie, Absenceepilepsien, myoklonisch-astatische Epilepsie, Lennox-Gastaut-Syndrom, BNS-Krämpfe) sollte die medikamentöse Behandlung sofort ohne Verzug begonnen werden.

Man versucht zunächst immer, die Behandlung einer Epilepsie mit nur einem Wirkstoff durchzuführen, und zwar in der niedrigsten Dosis, die zur Anfallsfreiheit führt.

Ein Teil der Patienten benötigt allerdings zwei oder gar drei verschiedene Medikamente gleichzeitig (ebenso wie beim Asthma oder beim Bluthochdruck mehrere Medikamente angewendet werden), um eine Anfallsfreiheit oder eine Besserung zu erreichen.

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Was wird durch die Behandlung mit Antiepileptika erreicht

Durch die Antiepileptika werden etwa 60-70% der Betroffenen anfallsfrei, bei etwa 20-30% erreicht man noch eine deutliche Besserung, 10-20% der Epilepsien sind außerordentlich schwierig zu beeinflussen, man spricht in diesen Fällen von sog. therapieresistenten Epilepsien. Ein Teil dieser Patienten kann heute mittels Operationen geheilt oder gebessert werden.

Langzeituntersuchungen von Kindern und Jugendlichen haben nach 20 oder mehr Jahren ergeben, dass etwa Zweidrittel der Betroffenen mit der Diagnose Epilepsie anhaltend anfallsfrei geblieben sind und langfristig auch keine Medikamente mehr benötigten.

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Wie lange sollte man epileptische Anfälle behandeln

Die Dauer der Behandlung mit Antiepileptika ist von verschiedenen Faktoren abhängig, z.B. vom Alter des Kindes, von der Epilepsieform, von der Ursache und vom EEG-Befund. Bei der Beschreibung der einzelnen Epilepsieformen werden dazu jeweils genauere Angaben gemacht.

In der Regel wird gefordert, dass ein Kind mindestens 2 Jahre lang anfallsfrei sein sollte, bevor man die Medikamente wieder absetzt. Die Rückfallquote beträgt dann etwa 30%. Bei einigen wenigen Epilepsien genügt es, die Antiepileptika lediglich 1 Jahr anzuwenden (z.B. bei der gutartigen fokalen Epilepsie des Kindesalters). Bei anderen schwer verlaufenden Epilepsien des Kindes- und Jugendalters (z.B. beim Lennox-Gastaut-Syndrom) muss mit einer sehr viel längeren Behandlungsdauer gerechnet werden, manche dieser Patienten benötigen dann lebenslang Medikamente. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen sollten so wenig wie möglich in ihren Aktivitäten eingeschränkt werden, extreme psychische und körperliche Belastungen sollten allerdings vermieden werden. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Betroffenen genügend Schlaf bekommen.

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Überblick über die verschiedenen Anfallsformen

Epileptische Anfälle werden zunächst in zwei große Gruppen eingeteilt: in fokale Anfälle und in generalisierte Anfälle.

Fokale Anfälle (auch Partialanfälle genannt) werden durch eine nicht normale elektrische Aktivität in einem umschriebenen Gebiet der Gehirnoberfläche ausgelöst. Im EEG finden sich dementsprechend örtlich umschriebene epileptische Wellen. Generalisierte Anfälle sind Ausdruck einer nicht normalen elektrischen Aktivität in der gesamten Gehirnrinde. Im EEG zeigen deshalb auch über allen Hirnregionen gleichzeitig epileptische Wellen.

Von einer Kommission der Internationalen Liga gegen Epilepsie wurden die verschiedenen epileptischen Anfälle genau beschrieben und ihre Benennung festgelegt. Es werden zwei Gruppen unterschieden: fokale Anfälle, bei denen das Anfallsgeschehen in einer umschriebenen Region der Hirnrinde stattfindet, und generalisierte Anfälle, bei denen das gesamte Gehirn in das epileptische Geschehen einbezogen ist.

Die fokalen Anfälle werden weiter unterteilt in einfache fokale Anfälle, bei denen das Bewusstsein völlig erhalten ist und komplexe fokale Anfälle, bei denen das Bewusstsein getrübt ist. Fokale Anfälle können auch sekundär in generalisierte Anfälle übergehen, man spricht dann von sekundärer Generalisierung.

Bei einem generalisieren Anfall ist der Patient in der Regel deutlich bewusstseinsgetrübt oder bewusstlos. Generalisierte Anfälle können mit oder ohne Muskelzuckungen einher gehen. Zu den generalisierten Anfällen gehören folgende Anfallsformen: Absencen, myoklonische Anfälle, tonisch-klonische Anfälle, tonische Anfälle und atonische Anfälle. Einzelheiten zu diesen Anfallsformen werden dann bei den Epilepsien beschrieben, bei denen sie vorkommen.

Es gibt auch epileptische Anfälle, die man nicht richtig einordnen kann (passen zu keiner der beschriebenen Anfallsformen, zu ungenaue Beschreibung oder keiner hat sie gesehen). Die Abgrenzung nichtepileptischer psychogener (pseudoepileptischer) Anfälle, die so aussehen können wie echte epileptische Anfälle, von den epileptischen Anfällen kann sehr schwierig sein. Die psychogenen Anfälle gehen nicht mit epileptischen Entladungen im EEG einher, sie treten meist unbewusst wegen unbewältigter psychischer Probleme auf. Gelegentlich wird auch nur vorgegeben, dass epileptische Anfälle aufgetreten seien, was aber nicht stimmt.

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Überblick über die häufigsten und wichtigsten Epilepsien

Der Ausdruck „Epilepsie" ist eine Sammelbezeichnung, hinter der sich sehr unterschiedliche Krankheitsbilder verbergen. Es gibt mehr als dreißig verschiedene Epilepsien. Die Mehrzahl der Menschen hat nur eine Epilepsie, andere Menschen haben neben der Epilepsie noch weitere Störungen des Nervensystems wie z.B. Lähmungen von Gliedmaßen (Zerebralparesen) oder Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten (mentale Retardierung). Ebenso wie die Anfälle werden auch die Epilepsien in fokale und generalisierte Epilepsien unterteilt, je nachdem, ob bei der Epilepsie fokale oder generalisierte Anfälle auftreten. Ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Epilepsien ist die Ursache: Tritt eine Epilepsie wahrscheinlich oder sicher allein auf erblicher Basis auf und liegt keine andere Erbkrankheit vor, bei der epileptische Anfälle auftreten können, so nennt man eine solche Epilepsie idiopathisch. Ist die Epilepsie Folge einer vorangegangenen Schädigung des Gehirns, so wird diese Epilepsie als symptomatisch bezeichnet. Manchmal vermutet man eine Hirnschädigung, kann diese aber nicht nachweisen. In diesem Fall wird die Bezeichnung kryptogen (= verborgen) benutzt.

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Epilepsiesyndrome als Krankheitseinheiten

Bilden Epilepsien durch eine Reihe von Eigenschaften Krankheitseinheiten, so sprechen wir von Epilepsie-Syndromen (Tabelle 1). Diese unterscheiden sich voneinander hinsichtlich der Anfallsformen, des Lebensalters bei Beginn der Epilepsie, der EEG-Befunde (z.B. 3-pro-Sekunde Spike Wave oder Sharp and Slow Wave) und der Zukunftsaussichten (Prognose). Ein Beispiel eines Epilepsie-Syndroms ist die gutartige fokale Epilepsie des Kindesalters.

Tabelle 1. Epilepsiesyndrome als Krankheitseinheiten

Sie sind charakterisiert durch:
  • Bestimmte Anfallsformen
  • Lebensalter bei Beginn
  • EEG-Befund (bestimmte Muster)
  • Zukunftsaussichten (Prognose)

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Internationale Klassifizierung von Epilepsien und Epilepsiesyndromen

Damit jeder weiß, von was er spricht, wenn er von einer bestimmten Epilepsie redet, wurden die verschiedenen Epilepsien von der Internationalen Liga gegen Epilepsie genau beschrieben, d. h. klassifiziert. Diese Klassifikation der Epilepsien und Epilepsie-Syndrome in vereinfachter Form zeigt die Tabelle 2. Die genaue Zuordnung der Epilepsie eines Patienten zu einer der genannten Epilepsien hat noch einen weiteren entscheidenden Vorteil, nämlich dadurch wird die Wahl des am besten wirksamen Medikamentes bestimmt.

Die wichtigsten Epilepsien bzw. Epilepsiesyndrome werden auf dieser Website kurz charakterisiert. Neben diesen Epilepsien gibt es noch eine ganze Reihe seltener bis sehr seltener Epilepsieformen (z.B. das ESES-Syndrom oder Landau-Kleffner-Syndrom), deren Erkennung und Behandlung meist Spezialisten in Epilepsiezentren vorbehalten ist. Die Behandlung dieser Epilepsien stellt auch diese Spezialisten häufig vor große Probleme.

Tabelle 2. Internationale Klassifizierung von Epilepsien und Epilepsiesyndromen (ILAE, sehr vereinfacht, nur die häufigeren Epilepsien bzw. Syndrome sind genannt, Erklärung der Bezeichnungen idiopathisch, symptomatisch und kryptogen siehe Text)

1. Fokale Epilepsien

2. Generalisierte Epilepsien

  • Idiopathisch

    Absenceepilepsie des Kindesalters (Pyknolepsie)
    Juvenile Absenceepilepsie
    Juvenile myoklonische Epilepsie (Impulsiv-Petit-Mal)
    Aufwach-Grand-Mal-Epilepsie

  • Symptomatisch oder kryptogen

    BNS-Krämpfe (West-Syndrom)
    Lennox-Gastaut-Syndrom
    Myoklonisch-astatische Epilepsie

  • Symptomatisch

    Epilepsien als Symptom verschiedener spezifischer Krankheiten des ZNS


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