überarbeitet von Dr. Werner Wolf
Therapie der Migräneattacke und Migräneprophylaxe
Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft
(DMKG)
in Kooperation mit der Kommission "Schmerztherapie" der deutschen Gesellschaft für Neurologie
(DGN)
HC Diener, K Brune, W-D Gerber, V Pfaffenrath, A Straube
Zusammenfassung
Die Inzidenz
der Migräne beträgt 6-8% für Männer und 12-14% für Frauen. Die Attacken gehen
mit pulsierenden, pochenden, halbseitigen Kopfschmerzen und vegetativen
Begleiterscheinungen einher. Bei ca. 15% der Patienten kommt es vor den
Kopfschmerzen zu einer Aura, meist mit visuellen Symptomen. Leichte und
mittelschwere Migräneattacken werden mit der Kombination eines prokinetischen
Antiemetikums wie Metoclopramid oder Domperidon und einem ausreichend dosierten
Analgetikum (Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen, Naproxen, Diclofenac)
behandelt. Mittelschwere und schwere Migräneattacken werden mit den modernen
5-HT1B/D-Rezeptoragonisten ("Triptane") behandelt. Die
Kombination eines Antiemetikums und Ergotamintartrat ist weniger wirksam als die
"Triptane". Patienten mit häufigen oder schweren Migräneattacken benötigen eine
medikamentöse und nicht-medikamentöse Prophylaxe. Medikamente der ersten Wahl
sind die Beta-Rezeptorenblocker Metoprolol oder Propranolol und der
Kalziumantagonist Flunarizin. Substanzen der zweiten Wahl sind Valproinsäure und
nicht-steroidale Antirheumatika. Bei den nichtmedikamentösen Therapien sind
multimodale Therapieansätze, die Techniken der progressiven Muskelrelaxation,
kognitive Techniken, Stress- und Reizverabreitungstraining und
Schmerzbewältigungstechniken verbinden, sowie die Sporttherapie (aerobes
Ausdauertraining) wirksam.
Summary
The incidence of migraine is
6-8% for men and 12-14% for women. Migraine attacks lead to pulsating and
throbbing hemicrania with autonomic disturbances. Up to 15% of patients suffer
from migraine with aura with visual disturbances prior to headache. Mild to
moderate attacks are treated with antiemetics (metoclopramide or domperidone) in
combination with analgesics (aspirin, paracetamol, ibuprofen, naproxen,
diclofenac). Moderate and severe attacks are treated with
5-HT1B/1D receptor agonists ("triptans"). Ergots in combination
with antiemetics are less effective than triptans. Patients with frequent and
severe attacks need medical and non-pharmacological migraine prophylaxis. Drugs
of first choice are the betablockers metoprolol and propranolol and the calcium
channel blocker flunarizine. Drugs of second choice are valproic acid and
non-steroidal antiinflammatory drugs. Nonmedical treatment includes relaxation
techniques combined with cognitive therapy, stress mamagement and sport
therapy.
Einleitung
Die Deutsche Migräne- und
Kopfschmerzgesellschaft hat letztmals 1997 Therapieempfehlungen für die
Behandlung der Migräne veröffentlicht (1 [die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das anliegende Literaturverzeichnis]). Seitdem sind mehrere neue
5-HT1B/1D-agonisten ("Triptane") zugelassen und zahlreiche
Studien zur Akuttherapie und Prophylaxe der Migräne publiziert worden. Die
Therapieempfehlungen orientieren sich formal an den Kriterien der evidence-based
medicine. Die Kategorien der Evidenz wurden von der Arzneimittelkommission der
Deutschen Ärztekammer übernommen. Sie sind wie folgt definiert:
Aussage zur Wirksamkeit wird
gestützt durch mehrere adäquate, valide klinische Studien (z.B. randomisierte
klinische Studien) bzw. durch eine oder mehrere valide Metaanalysen oder
systematische Reviews. Positive Aussage gut belegt.
Aussage zur Wirksamkeit wird gestützt
durch zumindest eine adäqute, valide klinische Studie (z.B. randomisierte
klinische Studie). Positive Aussage belegt.
Negative Aussage zur Wirksamkeit wird
gestützt durch eine oder mehrere adäqute, valide klinische Studien (z.B.
randomiserte klinische Studie), durch eine oder mehrere Metaanalysen bzw.
systematische Reviews. Negative Aussage gut belegt.
Es liegen kein sicheren
Studienergebnisse vor, die eine günstige oder ungünstige Wirkung belegen. Dies
kann bedingt sein durch das Fehlen adäquater Studien, aber auch durch das
Vorliegen mehrerer, aber widersprüchlicher
Studienergebnisse.
Epidemiologie
Migräne ist eine der
häufigsten Kopfschmerzformen. Etwa 6-8% aller Männer und 12-14% aller Frauen
leiden unter einer Migräne (2). Vor der Pubertät beträgt die Häufigkeit der
Migräne 4-5%. Jungen und Mädchen sind gleich häufig betroffen. Die höchste
Inzidenz der Migräneattacken tritt zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr auf. In
dieser Lebensphase sind Frauen dreimal häufiger betroffen als Männer.
Migräneattacken sind bei Frauen auch meist länger und intensiver. Dies erklärt
auch, warum Frauen in klinischen Studien zur Therapie der Migräne deutlich
überrepräsentiert sind. Die Migränehäufigkeit ist bei fast allen bisher
untersuchten Völkern der Erde gleich. Lediglich in China und Japan scheint die
Migräneprävalenz etwas geringer zu sein.
Klinik
Bei der Migräne
kommt es attackenweise zu heftigen, häufig einseitigen pulsierend-pochenden
Kopfschmerzen, die bei körperlicher Betätigung an Intensität zunehmen. Bei einem
Drittel der Patienten bestehen holokranielle Kopfschmerzen. Die einzelnen
Attacken sind begleitet von Appetitlosigkeit (fast immer), Übelkeit (80%),
Erbrechen (40-50%), Lichtscheu (60%) und Lärmempfindlichkeit (50%) und
Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Gerüchen (10%). Wenn die Kopfschmerzen
einseitig sind, können sie innerhalb einer Attacke oder von Attacke zu Attacke
die Seite wechseln. Die Kopfschmerzen beginnen häufig im Nacken und es wird
deswegen fälschlicherweise angenommen, daß die Halswirbelsäule einen kausalen
Bezug zur Migräne hat. Die Kopfschmerzen breiten sich dann über die Kopf- und
Schläfenregion bis in das Gesicht aus. Die Dauer der Attacken beträgt zwischen 4
und 72 Stunden (3). Bei Kindern können Migräneattacken auch fast ausschließlich
mit heftiger Übelkeit, Erbrechen und Schwindel einhergehen (4).
Bei etwa
10-15% der Patienten tritt vor der eigentlichen Kopfschmerzphase, seltener
während der Kopfschmerzphase, eine Periode mit neurologischen Reiz- und
Ausfallserscheinungen auf, die als Migräneaura bezeichnet wird. Früher wurde
diese Migräneform als Migraine accompagnée oder klassische Migräne bezeichnet.
Die meisten Patienten leiden unter Reiz- und Ausfallssymptomen des visuellen
Kortex mit unsystematischen Sehstörungen, der Wahrnehmung von Lichtblitzen und
Fortifikationen (gezackte Lichtlinien) und Gesichtsfelddefekten. Zusätzlich zu
den Sehstörungen kann es zu Sensibilitätsstörungen, Paresen, Sprech- oder
Sprachstörungen, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen kommen. Typisch für die
Migräneaura ist, daß sich die Symptome über einen Zeitraum von 10-20 min
entwickeln und dann langsam wieder zurückbilden. Die Symptome lassen sich nicht
zerebralen Gefässterritorien zuordnen. Anschließend beginnt die eigentliche
Kopfschmerzphase. Selten kann es auch zu isolierten Auren ohne Kopfschmerzen
kommen.
Unter einer menstruellen Migräne werden Migräneattacken
verstanden, die ausschließlich oder fast ausschließlich in engem zeitlichen
Zusammenhang mit der Monatsblutung auftreten (5). Diese Attacken sind häufig
länger als normale Migräneattacken.
Im natürlichen Verlauf nimmt die
Häufigkeit und Schwere von Migräneattacken nach dem 45. Lebensjahr langsam ab.
Dies hat nicht ausschließlich mit den Wechseljahren zu tun, da es auch bei
Männern in diesem Alter zu einer Abnahme der Häufigkeit und Schwere der
Migräneattacken kommt. Während der Schwangerschaft kommt es in ca. 60-80% der
Fälle ab Ende des dritten Monats zu einer
Abnahme der Migränefrequenz.
Genetik
Viele Zwillingsstudien wiesen bereits
darauf hin, daß es sich bei der Migräne mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine
Erbkrankheit handelt (6, 7). Für eine spezielle Sonderform der Migräne, nämlich
die familiär-hemiplegische Migräne, bei der es während der Migräneattacken im
Rahmen der Aura zu einer fast kompletten halbseitigen Lähmung kommt, wurden
Gendefekte auf dem Chromosom 19 und dem Chromosom 1 identifiziert (8-10). Das
Gen auf dem Chromosom 19 codiert einen überwiegend zerebral exprimierten
P/Q-Kalziumkanal, so daß anzunehmen ist, daß es sich bei der Migräne wie bei
anderen intermittierenden neurologischen Erkrankungen wahrscheinlich um eine
sog. Ionenkanalkrankheit handelt. Bei diesen Krankheiten kommt es zu
vorübergehenden Funktionsstörungen von Ionenkanälen, die dann zu reversiblen
neurologischen Ausfällen führen. Der Calciumkanal wird fast ausschließlich an
Neuronen des zentralen Nervensystems exprimiert. Er hat seine höchste Dichte im
Hirnstamm im Bereich schmerzmodulierender Systeme und im Bereich des
Okzipitalpols. Dies könnte erklären, warum Aurasymptome überwiegend visueller
Natur sind. Die Chromosomenveränderung auf dem Chromosom 1 liegen nahe an einem
Genlokus, der für die Funktion eines Natriumkanals wichtig ist. Inwieweit diese
genetischen Veränderungen auch für die Migräne mit und ohne Aura eine Rolle
spielen, ist bisher ungeklärt (7, 11, 12).
Die Tatsache, daß bei der
Migräne die Genetik eine wichtige Rolle spielt, erklärt auch, warum die
Krankheit selbst nicht heilbar ist. Es ist lediglich möglich, akute
Migräneattacken zu behandeln und bei häufigen Attacken eine wirksame Prophylaxe
zu betreiben.
Triggerfaktoren
Hierbei handelt es sich um
biologische Faktoren oder Umwelteinflüsse, die bei entsprechender innerer
Reaktionsbereitschaft eine Migräneattacke auslösen können (aber nicht müssen).
Die meisten Patienten verwechseln allerdings Triggerfaktoren, welche die
Migräneattacke anstoßen, mit den eigentlichen biologischen Ursachen der Migräne.
Hormonschwankungen bei Frauen sind wesentliche Triggerfaktoren. Dies erklärt die
Häufung von Migräneattacken während der Periode und während des Eisprungs. Bei
Ersteinnahme von Hormonpräparaten entweder zur Empfängnisverhütung oder nach den
Wechseljahren zur Behandlung von Beschwerden im Rahmen der Menopause oder zur
Osteoporoseprophylaxe kann es zu einer Erstmanifestation der Migräne oder zu
einer Verschlechterung einer vorbestehenden Migräne kommen. Im Verhaltensbereich
sind Änderungen des Schlaf-Wachrhythmus mögliche Triggerfaktoren, was zum Teil
erklären könnte, warum die Migräne am Wochenende häufiger auftritt als unter der
Woche. Umweltfaktoren wie Flackerlicht, Lärm, Aufenthalt in großer Höhe,
Aufenthalt in Kälte und verqualmte Räume können möglicherweise Migräneattacken
auslösen. Psychologische Faktoren sind Erwartungsangst, Streß und
Entlastungsreaktionen nach Streß. Substanzen, die Migräneattacken auslösen
können, sind Alkohol insbesondere in Form von Rotwein und sehr selten
Nahrungsmittel wie bestimmte Käsesorten und Schokolade. Auch Schwankungen des
Coffein-Spiegels bei regelmäßigem Coffeingenuß können zu Migräneattacken führen.
Am häufigsten genannt, aber therapeutisch ohne Bedeutung sind Wettereinflüsse
(13).
Diagnostik
Die Diagnose einer Migräne wird rein klinisch
aufgrund der anamnestischen Angaben des Patienten gestellt. Zur Diagnostik
gehören eine gründliche neurologische und internistische Untersuchung und, wenn
Zweifel an der Diagnose bestehen, bildgebende Diagnostik wie ein
Computertomogramm (CT) oder in seltnen Fällen ein MRT (14). Im CT können fast
alle symptomatischen Ursachen von Kopfschmerzen wie Tumoren, Blutungen,
Liquorzirkulationsstörungen oder vaskuläre Malformationen sichtbar gemacht
werden. Besteht die Migräne seit langem, sind die Attacken typisch und hat sich
die Attackenfrequenz und -schwere nicht geändert, besteht keine Indikation für
die Durchführung von Computertomographie oder Kernspintomographie. Die
Indikation zur Durchführung einer Kernspintomographie besteht nur, wenn eine
Sinusvenenthrombose, eine Dissektion, eine Vaskulitis, ein Angiom oder eine
mitochondriale Encephalopathie als Ursache von Kopfschmerzen vermutet werden.
Das Elektroenzephalogramm zeigt bei vielen Migränepatienten eine paroxysmale
oder generalisierte Dysrhythmie. Diese Veränderungen finden sich auch im
beschwerdefreien Interval und sind nicht spezifisch und
beweisend.
Therapie der Migräneattacke
Erfolgskriterien für
eine erfolgreiche Behandlung einer Migräneattacke ist eine Besserung der
Kopfschmerzen von schwer oder mittelschwer auf leicht oder kopfschmerzfrei
innerhalb zwei Stunden nach Applikation des entsprechenden Präparates (15) und
eine reproduzierbare Wirkung bei 2 von 3
Migräneattacken.
Empfehlung:
- Die 5-HT1B/1D-agonisten Naratriptan, Rizatriptan,
Sumatriptan, Zolmitriptan und das in Deutschland wahrscheinlich Ende 2000
erhältliche Eletriptan sind die Substanzen mit der besten Wirksamkeit bei
akuten Migräneattacken.
- Mutterkornalkaloide sind bei Migräne wirksam. Allerdings ist die
Wirksamkeit in prospektiven Studien schlecht belegt.
- Analgetika und nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) sind bei der
Behandlung der Migräne wirksam.
- Die Wirksamkeit nichtmedikamentöser Verfahren wurde in kontrollierten
Studien kaum untersucht.
5-HT1B/1D-agonisten
Die
Serotonin-5-HT1B/1D Rezeptoragonisten (Tabelle 1) Sumatriptan,
Zolmitriptan, Naratriptan, Rizatriptan und Eletriptan sind spezifische
Migränemittel, die beim Spannungskopfschmerz unwirksam sind. Eletriptan wird
wahrscheinlich Ende 2000 in Deutschland zugelassen werden. Alle Triptane haben
ihre Wirkung in grossen Placebo-kontrollierten Studien belegt. Für Sumatriptan
gibt es auch Vergleichsstudien zu Acetylsalicyclsäure (16, 17) und Ergotamin
(18). Sumatriptan steht in oraler Form (50; 100 mg), als Zäpfchen (25 mg), als
Nasenspray (10, 20 mg) und für die subkutane Gabe (6 mg) zur Verfügung (19, 20).
Die anderen Triptane stehen nur in oraler Form zur Verfügung. Rizatriptan und
Zolmitriptan sind auch als Schmelztablette verfügbar. Schmelztabletten bieten
keinen rascheren Wirkungseintritt, sind aber komfortabler in der Einnahme.
Triptane wirken im Gegensatz zu Ergotamintartrat zu jedem Zeitpunkt innerhalb
der Attacke, d.h. sie müssen nicht notwendigerweise unmittelbar zu Beginn der
Attacke genommen werden. Sie wirken anders als Mutterkornalkaloide auch auf die
typischen Begleiterscheinungen der Migräne nämlich Übelkeit und Erbrechen und
reduzieren signifikant die Einnahme von Schmerzmitteln.
Ein Problem aller
Migränemittel ist, daß bei lange dauernden Migräneattacken gegen Ende der
pharmakologischen Wirkung die Migränekopfschmerzen wieder auftreten können (sog.
"headache recurrence" oder secondary treatment failure). Recurrence wird
definiert als eine Verschlechterung der Kopfschmerzintensität von kein
Kopfschmerz oder leichte Kopfschmerzen auf mittelschwere oder schwere
Kopfschmerzen in einem Zeitraum von 2 bis 24 Stunden nach der ersten
Medikamenteneinnahme. Dieses Problem ist bei den Triptanen ausgeprägter als bei
Ergotamintartrat oder bei Acetylsalicyclsäure. So kommt es bei etwa 40% der
Patienten nach subkutaner Gabe und bei 30-40% nach oraler Gabe von Sumatriptan
zu einem Wiederauftreten der Kopfschmerzen, wobei dann eine zweite Gabe der
Substanz wieder wirksam ist (21). Ist die erste Gabe eines Triptans unwirksam,
ist es sinnlos, in derselben Migräneattacke eine zweite Dosis zu applizieren.
Die subkutane Anwendung von Sumatriptan ist indiziert, wenn initial bereits
Erbrechen oder Durchfall bestehen und so weder Tabletten noch Zäpfchen
eingenommen werden können oder wenn aus beruflichen Gründen ein rascher
Wirkungseintritt erforderlich ist. Dosierungen der Triptane, Nebenwirkungen und
Kontraindikationen können der Tabelle
1 entnommen werden. Sumatriptan kann wie Ergotamin zu
medikamenteninduzierten Kopfschmerzen führen (22, 23). Dies gilt auch für die Präparate
Zolmitriptan und Naratriptan (24). Für Rizatriptan gibt es diesbezüglich noch
keine publizierten Daten. Triptane sollten an nicht mehr als 10 Tagen im Monat
eingesetzt werden. Lebensbedrohliche Nebenwirkungen (Myokardinfarkt, schwere
Herzrhythmusstörungen, Schlaganfall) wurden bei der Applikation von Sumatriptan
in einer Häufigkeit von 1:1.000.000 beobachtet (25). Bei fast allen Patienten
lagen entweder eindeutige Kontraindikationen vor (z.B. vorbestehende koronare
Herzkrankheit) oder die Diagnose Migräne war falsch. Für die anderen Triptane
gibt es noch keine publizierten Daten. Da das Potential, koronare Arterien zu
kontrahieren, für alle Triptane gleich ist, ist für die anderen Triptane mit
einer ähnlichen Inzidenz lebensbedrohlicher Nebenwirkungen zu rechnen (orale
Applikationsformen haben aber ein geringeres Risiko als die subctuane
Gabe).
Vergleich der "Triptane"
Der Zeitpunkt bis zum Erreichen
der Maximalkonzentration im Plasma (tmax), der über die
Geschwindigkeit des Wirkungseintritts entscheidet, ist mit 10 Minuten am
kürzesten für die subkutane Gabe von Sumatriptan. Zolmitriptan und Naratriptan
haben die längsten Zeiten bis zum Erreichen der t max. Von den
oralen Applikationsformen werden Rizatriptan und Eletriptan am raschesten
resorbiert. Die Plasmahalbwertszeit ist am kürzesten für Sumatriptan. Dies hat
aber offenbar keine wesentlichen Auswirkungen auf die Wirkungsdauer bzw. auf die
Zeit bis zum Wiedereintreten der Kopfschmerzen (26-28). Die Bioverfügbarkeit ist
erwartungsgemäß bei der subkutanen Anwendung von Sumatriptan mit 96% am
höchsten. Die Bioverfügbarkeit von Zolmitriptan (ca 40-46%), Naratriptan
(63-74%), Rizatriptan (40-45%) und Eletriptan (ca 50%) ist deutlich höher als
die von oralem Sumatriptan (ca 14%).
Die Besserung der Kopfschmerzen nach
zwei Stunden, der wichtigste Parameter klinischer Studien für die Wirksamkeit
von Migränemitteln ist am höchsten bei der subcutanen Applikation von
Sumatriptan (29). Der Sumatriptan-Nasenspray (30) ist ebenso wirksam wie das
Sumatriptan-Zäpfchen (31). 25 mg Sumatriptan oral sind weniger wirksam als 50
und 100 mg, haben aber auch weniger Nebenwirkungen (32). Naratriptan (2,5 mg)
ist weniger wirksam als Sumatriptan, hat aber auch weniger Nebenwirkungen (33,
34). Der Wirkungseintritt von Naratriptan ist im vergleich zu den anderen
Triptanen verzögert. Im mittleren Wirkungsbereich liegen Rizatriptan 5 mg und
Zolmitriptan 2,5 mg (35-37). Rizatriptan 10 mg ist etwas wirksamer als 100 mg
Sumatriptan (38-41). Eletriptan ist in Dosierungen von 40 und 80 mg das
effektivste orale "Triptan", hat bei 80 mg aber auch die meisten Nebenwirkungen
(42-44). Die Ergebnisse einer Metaanalyse für den Parameter "kopfschmerzfrei
nach 2 Stunden" sind in Tabelle 2
wiedergegeben. Die Häufigkeit des Wiederauftretens der Kopfschmerzen liegt bei
den verschiedenen Triptanen zwischen 24% und 40% (Tabelle 3). Insgesamt ergibt sich
eine Tendenz dahingehend, daß wirksamere Arzneimittel eher zu einem
Wiederauftreten der Kopfschmerzen führen (Ausnahme:
Eletriptan).
Zusammengefaßt besteht für Sumatriptan die längste Erfahrung
sowie die größte Variationsbreite in der Applikationsart und Dosis. Die initiale
Dosis sollte 50 mg betragen. Naratriptan ist weniger wirksam, hat aber auch
weniger Nebenwirkungen als Sumatriptan. Es eignet sich daher für Patienten, die
nach Sumatriptan unter ausgeprägten Nebenwirkungen (z.B. thorakales Engegefühl)
leiden. Zolmitriptan ist bei einem Teil der Patienten wirksam, die nicht auf
Sumatriptan ansprechen. Rizatriptan (10 mg) und Eletriptan (80 mg) sind etwas
besser und rascher wirksam als Sumatriptan. Patienten, die eine
Migräneprophylaxe mit Propranolol erhalten, dürfen nur mit 5 mg Rizatriptan
behandelt werden. Im Mittel kann bei >70% der Patienten nach 2 Stunden eine
deutliche Besserung der Kopfschmerzen erreicht werden. Etwa 30% der Patienten
sind bei oraler Applikation nach 2 Stunden kopfschmerzfrei (50% bei der s.c.
Gabe von Sumatriptan). Die Konsistenz der Wirkung beträgt 70% (wirksam bei 2 von
3 Migräneattacken).
Mutterkornalkaloide
Es gibt nur sehr wenige
prospektive Studien zum Einsatz der Mutterkornalkaloide bei der Migräne (45,
46). In allen Studien, in denen Triptane mit Mutterkornalkaloiden verglichen
wurden, waren erstere signifikant besser wirksam (18, 47-50). Die Behandlung mit
Ergotamintartrat sollte sehr langen Migräneattacken oder solchen mit multiplen
"recurrences" vorbehalten bleiben. Patienten, die ihre Migräneattacken
erfolgreich mit einem Mutterkornalkaloid behandeln, können diese Akuttherapie
beibehalten. Die gehäufte Einnahme von Ergotamin oder Dihydroergotamin kann zu
Dauerkopfschmerzen führen, die in ihrer Charakteristik kaum von den
Migränekopfschmerzen zu differenzieren sind (51). Daher muss die
Einnahmefrequenz auf 10-12/Monat begrenzt werden. Da die orale Resorption von
Ergotamin schlecht und variabel ist, sollte es als Zäpfchen in einer Dosis von 2
mg verordnet werden (Tabelle 4).
Dihydroergotamin (DHE) wird nach oraler Gabe noch schlechter resorbiert als
Ergotamin und eignet sich daher am besten zur parenteralen Behandlung akuter
Migräneattacken. Ergotamin und DHE sollten als Monosubstanzen und nicht wie in
Deutschland üblich als Mischpräperate gegeben werden.
Antiemetika und
Analgetika
Die meisten Patienten leiden während der Migräneattacke unter
gastrointestinalen Symptomen. Die Gabe von Antiemetika wie Metoclopramid oder
Domperidon (Tabelle 5) bessert
nicht nur die vegetativen Begleitsymptome, sondern führt über eine
Wiederanregung der zu Beginn der Migräneattacke zum Erliegen gekommenen
Magenperistaltik zu einer besseren Resorption und Wirkung von Analgetika (52).
Metoclopramid hat auch eine therapeutische Wirkung auf die Kopfschmerzen (52,
53).
Azetylsalizylsäure (ASS) (54, 55), Ibuprofen (56, 57) und
Paracetamol sind die Analgetika erster Wahl bei leicht- und mittelgradigen
Migränekopfschmerzen (Tabelle 6).
Die Studien zu den Analgetika entsprechen meistens nicht den Anforderungen, die
an moderne Studiendesigns gestellt werden. Die Kombination von ASS, Paracetamol
und Coffein wurde in den USA untersucht und war wirksamer als Placebo (58). Die
optimale Dosis beträgt bei alleiniger oraler Anwendung für ASS und Paracetamol
mindestens 1000 mg, für Ibuprofen 400-600 mg. Analgetika sollten bevorzugt nach
der Gabe eines Antiemetikums in Form einer Brausetablette oder einer Kautablette
eingenommen werden (schnellere Resorption). Lysinierte ASS in Kombination mit
Metoclopramid ist fast genauso wirksam wie Sumatriptan (59). Paracetamol wird
besser nach rektaler als nach oraler Gabe resorbiert (rektale Gabe bei initialer
Übelkeit und Erbrechen). Nicht-steroidale Antirheumatika wie Naproxen,
Diclofenac und Tolfenaminsäure sind ebenfalls wirksam (60-64), der
Wirksamkeitseintritt ist allerdings etwas langsamer.
Allgemeine
Massnahmen:
Wenn möglich, sollte eine Reizabschirmung in einem
abgedunkelten, geräuscharmen Raum erfolgen. Bei vielen Patienten ist Schlaf
hilfreich. Lokale Eisbehandlung (Eisbeutel) ist analgetisch wirksam. Für keine
dieser Maßnahmen gibt es kontrollierte Studien.
Behandlung der
Migräneattacke im ärztlichen Notdienst
Patienten, die ihren Hausarzt oder
den diensthabenden Arzt rufen bzw. die Notaufnahme eines Krankenhauses
aufsuchen, haben häufig bereits erfolglos eine orale Medikation versucht. In
diesen Fällen erfolgt die Behandlung parenteral (1). Schwere Attacken werden
primär durch die intravenöse Gabe von 10 mg Metoclopramid gefolgt von 500 oder
1000 mg lysinierter Acetylsalicylsäure behandelt (65). Diese Therapie ist fast
genau so wirksam wie die subcutane Gabe von 6 mg Sumatriptan und sicherer. Als
Alternative kommen Dihydroergotamin 1 - 2 mg subcutan oder intramuskulär (66)
bzw. Sumatriptan 6 mg subcutan in Frage. Sumatriptan darf nicht gegeben werden,
wenn zuvor bereits ein Mutterkornalkaloid zur Anwendung kam. Metamizol (1000 mg
i.v.) wird häufig gegeben, wobei prospektive klinische Studien für diese
Indikation nicht vorliegen. Zu rasche Injektion kann zum Schock führen. Opioide
sind wenig wirksam und führen zu Übelkeit und Erbrechen
(67).
Behandlung der Migräneattacke bei Schwangeren und
Kindern
In der Schwangerschaft sind fast alle Medikamente zur
Akuttherapie außer Paracetamol und jenseits des ersten Trimenons
Acetylsalicyclsäure (ASS) kontraindiziert (68-70). Bei Kindern kommen
Paracetamol als Zäpfchen oder ASS zum Einsatz. Als Alternative kommt Ibuprofen
(10 mg/kg/KG) in Betracht. Bei Kindern mit Migräne besteht keine Gefahr eines
Reye Syndroms. Triptane sind derzeit bei Kindern nicht zugelassen. Sie sind bei
Kindern angesichts der kurzen Attackendauer und des hohen Placeboeffektes meist
nicht wirksam. Wenn überhaupt, kommt bei Jugendlichen Sumatriptan als Nasenspray
(10-20 mg) zum Einsatz (71).
Migräneprophylaxe
Empfehlung:
- Bei häufigen Migräneattacken sollte eine Migräneprophylaxe begonnen
werden.
- Migräneprophylaktika der ersten Wahl sind die Betablocker Metoprolol und
Propranolol und der Calciumantagonist Flunarizin.
- Migräneprophylaktika der zweiten Wahl sind Valproinsäure
, nicht-steroidale Antirheumatika
, Lisurid, Pizotifen, DHE,
Acetylsalicyclsäure,und Magnesium.
- Die medikamentöse Therapie sollte durch nicht-medikamentöse Verfahren der
Verhaltenstherapie
und
durch Ausdauersport
ergänzt werden.
Die Indikation zu einer medikamentösen Prophylaxe
der Migräne ergibt sich:
- bei mehr als drei Migräneattacken pro Monat, die auf eine Attackentherapie
entsprechend oben gegebenen Empfehlungen nicht ansprechen und/oder wenn
Nebenwirkungen der Akuttherapie nicht toleriert werden,
- bei Migräneattacken, die länger als 48 Stunden anhalten,
- bei Migräneattacken, die vom Patienten subjektiv als unerträglich
empfunden werden,
- bei komplizierten Migräneattacken (manifeste neurologische Ausfälle, die
länger als sieben Tage anhalten)
Sinn der medikamentösen
Prophylaxe ist eine Reduzierung von Häufigkeit, Schwere und Dauer der
Migräneattacken und die Prophylaxe des Medikamenten-induzierten
Dauerkopfschmerzes. Eine optimale Migräneprophylaxe erreicht eine Reduktion von
Anfallshäufigkeit, -intensität und -dauer von mindestens 50%. Zunächst soll der
Patient über vier Wochen einen Kopfschmerzkalender führen, um die Anfallsfrequenz
und den Erfolg oder Mißerfolg der jeweiligen Attackenmedikation zu
dokumentieren.
Substanzen zur Migräneprophylaxe
Sicher wirksam
für die Prophylaxe der Migräne sind der nicht-selektive Beta-Blocker Propranolol
(72) und der Beta-1-selektive Beta-Blocker Metoprolol (73-76)(Tabelle 7). Bisoprolol ist
wahrscheinlich ebenfalls wirksam, wurde aber nur in wenigen Studien untersucht
(77, 78). Der Wirkungsmechanismus der Beta-Rezeptorenblocker ist nicht bekannt.
Auffällig ist, daß alle wirksamen Betablocker keine intrinsische
sympathikomimetische Aktivität haben. Aus der Gruppe der "Kalzium-Antagonisten"
ist soweit derzeit beurteilbar nur Flunarizin sicher wirksam (79). Flunarizin
wirkt auch auf Dopamin-, Serotonin- und Histaminrezeptoren. Die typischen
Nebenwirkungen von Flunarizin sind Müdigkeit, Gewichtszunahme, Depression und
Schwindel sowie in sehr seltenen Fällen bei älteren Menschen
extrapyramidalmotorische Störungen mit Entwicklung eines Parkinsonoids oder
Dyskinesien. Die Studienergebnisse zu Cyclandelat sind
widersprüchlich.
In letzter Zeit hat sich das Antikonvulsivum
Valproinsäure in der Migräneprophylaxe bewährt (80-83)(Tabelle 8). Die Tagesdosis beträgt
500 bis 600 mg (82, 83). Gelegentlich sind höhere Dosierungen notwendig.
Valproinsäure hat in Deutschland keine Zulassung für die Migräneprophylaxe.
Acetylsalicylsäure in einer Dosis von 300 mg/Tag hat eine geringe
migräneprophylaktische Wirkung (54). Die Serotonin-Antagonisten Pizotifen und
Methysergid sind ebenfalls prophylaktisch wirksam (Tabelle 8). Pizotifen wird wegen der
deutlich häufigeren Nebenwirkungen (Müdigkeit, Gewichtszunahme) aber weniger gut
toleriert als Beta-Blocker und Flunarizin. Methysergid ist ein wirksames
Migräneprophylaktikum (84). Es sollte aber wegen seiner Nebenwirkungen
Spezialisten und der Behandlung des Cluster-Kopfschmerzes vorbehalten sein. Es
darf wegen der Gefahr einer Retroperitonealfibrose oder von Lungenfibrosen nicht
länger als drei bis fünf Monate gegeben werden. Lisurid, ein Dopamin-Agonist,
ist möglicherweise ebenfalls prophylaktisch wirksam. Die Tagesdosis beträgt
0,075 mg. Die Wirksamkeit von Magnesium ist umstritten (85, 86). Wenn überhaupt
wirksam, ist die Reduktion der Attackenfrequenz nicht sehr
ausgeprägt.
Amitriptylin und Amitriptylinoxid sind trizyklische
Antidepressiva. Allein gegeben sind sie bei der Migräne wenig wirksam. Sie
sollten aber zur Prophylaxe gegeben werden, wenn eine Kombination mit einem
Spannungskopfschmerz vorliegt, oder wenn, wie häufig bei chronischen Schmerzen,
eine zusätzliche Depression besteht. Dihydroergotamin ist zwar
migräneprophylaktisch wirksam, kann aber nach längerer Einnahme zu einer
Verschlechterung der Migräne und zur Induktion von Dauerkopfschmerzen führen.
Nicht-steroidale Antirheumatika wie Naproxen sind ebenfalls prophylaktisch
wirksam. Limitierend sind hier die Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen,
Magenschmerzen, Tinnitus, Schwindel, Magen-Darmulcera und gastro-intestinale
Blutungen. Das Antiepileptikum Gabapentin hat nach ersten Studien in
Tagesdosierungen zwischen 1200 und 1600 mg wahrscheinlich ebenfalls eine
prophylaktische Wirkung. Hier müssen allerdings weitere Studien abgewartet
werden. Lamotrigin ist nicht wirksam (87). Von den Dopaminagonisten ist
wahrscheinlich Alpha-dihydroergocryptin wirksam (88).
Bei der
zyklusgebundenen Migräne kann eine Prophylaxe mit 2x500 mg Naproxen vier Tage
vor bis drei Tage nach der Periode versucht werden. Als Alternative für die
Kurzeitprophylaxe kommen Östrogenplaster (100 mg) in der Phase mit Hormonabfall
zum Einsatz.
Während der Schwangerschaft sind nur Betablocker zur
Prophylaxe zugelassen. Die anderen Migräneprophylaktika außer Magnesium sind
kontraindiziert.
Nicht-medikamentöse
Therapie
Verhaltenstherapie
Eine medikamentöse Behandlung
der Migräne sollte, wenn möglich, durch eine Verhaltenstherapie ergänzt werden.
Wissenschaftlich bewiesen sind sogenannte multimodale Therapieansätze, die
Techniken der progressiven Muskelrelaxation, kognitive Techniken, Stress- und
Reizverarbeitungstraining sowie Schmerzbewältigungstechniken verbinden (89-93) (Tabelle 9). Zahlreiche Studien
konnten zeigen, dass einzelnen Komponenten, wie z.B. die progressive
Muskelrelaxation (94) oder kognitive Therapietechniken zu langfristig günstigen
Therapieeffekten führen. Dazu gehört auch das Vasokonstriktionstraining, eine
spezifische Biofeedbacktherapie, die in Kombination mit
Schmerzbewältigungstechniken zum Einsatz kommt (95). Verhaltenstheraputische
Strategien sollten immer auf der Basis einer systematischen Verhaltensanalyse
(z.B. einer speziellen Anamnesetechnik) sowie eines individuell orientierten
Genesemodel abgeleitet werden. Verhaltenstherapeutische Strategien werden durch
verhaltenstherapeutisch ausgebildete Ärzte und Psychologen vermittelt. Diese
stehen nach Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes flächendeckend zur
Verfügung. Adressen können über die KVen erfragt
werden.
Sport
Wissenschaftlich belegt ist die prophylaktische
Wirkung aerober Ausdauersportarten, insbesonders Jogging (96,
97).
Physikalische Therapie und transkutane elektrische
Nervenstimulation (TENS)
Für die beiden genannten Verfahren gibt es
keinen Wirkungsnachweis im Rahmen prospektiver Studien (98,
99).
Homöopathie
Die bisher durchgeführten prospektiven
Placebo-kontrollierten Studien ergaben keinen Hinweis auf eine Wirksamkeit der
Homöopathie (100-102).
Akupunktur
Die Mehrzahl der Studien zur
Akupunktur entspricht nicht modernen Anforderungen an klinische Studien. Eine
kürzlich publizierte Metaanalyse fand nur 10 Studien mit insgesamt etwa 300
Patienten, die bei einem Erfolgskriterium einer Besserung um >33% eine
Wirkung der Akupunktur nahelegt (103). Dabei muss berücksichtigt werden, dass
das Erfolgskriterium bei Studien zur pharmakologischen Therapie >50% beträgt.
Wird diese Kriterium angelegt, ist die Akupunktur
unwirksam.
Pflanzliche Wirkstoffe
Es gibt Hinweise, dass
Tanacetum (feverview) möglicherweise wirksam ist (104). Dies wird derzeit in
einer grossen prospektiven Studie untersucht. Pestwurz soll ebenfalls wirksam
sein. Publikationen in peer reviewten Zeitschriften gibt es hierzu bisher
nicht.
Unwirksame Therapien
Unwirksam in der medikamentösen
Therapie sind Bromocriptin, die Antiepileptika Carbamazepin, Diphenylhydantoin
und Primidon, Diuretika, Clonidin, Östrogene und Gestagene, Lithium,
Neuroleptika, Proxibarbal und die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Von
den nicht-medikamentösen Verfahren sind ohne Wirkung oder ohne
wissenschaftlichen Beleg das autogene Training, die chiropraktische Therapie,
Manualtherapie, Zahnextraktion, Aufbißschienen, Frischzell-Therapie, lokale
Injektionen in den Nacken oder die Kopfhaut, Neuraltherapie, Reizströme,
Magnetströme, Psychophonie, Neuraltherapie, Ozontherapie, Tonsillektomie,
Fußreflexmassage, Sanierung vermeintlicher Pilzinfektionen des Darmes,
Entfernung von Amalgamfüllungen, Hysterektomie und die klassische
Psychoanalyse.
Literatur, auf die sich die oben in Klammern angegebenen Ziffern beziehen, finden Sie hier.
Dr. Werner Wolf 08.12.2000